Neugier und Schule

25. Januar 2021

In den ersten Lebensjahren lernen Babys und Kleinkinder spielerisch und freiwillig, sie erfahren Neues und vermehren ihr Wissen scheinbar mühelos. Mit dem Eintritt in die Schule ändert sich das alles.

In der Schule bestimmen Lernziele, Prüfungen und Benotungen, was ein Kind lernt. Die eigene Neugier des Kindes spielt dabei keine – oder wenn – nur eine ungeordnete Rolle. Das ist insofern bemerkenswert, weil in den ersten Lebensjahren alles fehlt, was schulisches Lernen auszeichnet. In dieser Zeit lernen Kinder nicht nur laufen und sprechen, sondern finden sich auch in ihrer Welt weitgehend selbständig zurecht. Das alles aus reiner Neugier.

Neugier bildet die Basis der Entwicklung intrinsischer Lernmotivation, was wiederum die beste Voraussetzung für die Aufnahme und Verarbeitung von kognitiven Informationen ist. Der grosse Schweizer Entwicklungspsychologe Jean Piaget hat dazu einen Leitsatz formuliert, welcher die Neugier in Bezug zur Bildung setzt: «Das Ziel von Bildung ist nicht Wissen zu vermehren, sondern für das Kind Möglichkeiten zu schaffen, zu erfinden und zu entdecken, Menschen hervorzubringen, die fähig sind, neue Dinge zu tun.» Warum kommt die natürliche Neugier von Kindern in der Schule zum Erliegen? Warum misst die Schule – und mit ihr viele Pädagogen, Didaktiker und Bildungsexperten – der Neugier nicht mehr Bedeutung bei? Woran liegt das?

Auf diese Frage gibt es keine einfachen Antworten. Das liegt einerseits daran, dass sich die Aufgaben und Funktionen der Schule nicht abschliessend klären lassen, weil sie von Generation zu Generation neu ausgehandelt werden müssen. Ein übergreifender Bildungskanon bildet zwar eine Art Konstante, aber stets kommen neue und zusätzliche Aufgaben dazu. Die Schule ist – neben der Familie – die Keimzelle der Gesellschaft: Werte, Überzeugungen und Haltungen sind immer historisch bedingt und darum dauerndem Wandel unterworfen.

Andererseits hängt die mangelnde Einbindung der Neugier in den Schulunterricht mit der Mehrdimensionalität des Begriffs zusammen. Neugier kann man weder präzise verorten noch lässt sie sich richtig messen. Neugier ist keine fixe Eigenschaft eines Kindes wie die Augenfarbe, sondern ändert sich nach Massgabe von Neigungen und Interessen. Wie sehr sich diese in jungen Jahren wandeln können, wissen wir alle aus eigener Erfahrung.

Die Neugier ist zudem eingebettet in sogenannte Gelingensfaktoren – Kontexte, die nicht in der Entscheidungs- und Gestaltungskompetenz des einzelnen Kindes liegen. In der Schule sind dies in erster Linie

1. die Persönlichkeit der Lehrpersonen,
2. die Struktur des Unterrichts und
3. die dabei eingesetzten Methoden

Sie alle sollen sicherstellen, dass Lerninhalte möglichst effizient vermittelt, verstanden und gelernt werden.

Das macht es schwierig, die intrinsische Neugier eines Kindes in den Schulunterricht einzubinden – schwierig, aber nicht unmöglich.

Bild: The Guardian: Schools are killing curiosity

Tags: