Interview mit Giulia Paparo, Workshopentwicklung im Technorama
22. Oktober 2025
Giulia Paparo koordiniert seit 2024 die Neu- und Weiterentwicklung von Workshops in den Laboren. Sie ist insbesondere für die Didaktik in den Workshops zuständig. Als Bindeglied zur Abteilung Entwicklung und Didaktik berät sie die Laborverantwortlichen in didaktischen Fragen und stellt sicher, dass die didaktischen Prinzipien angewendet werden.
Während die Fortbildungskurse den theoretischen Hintergrund der Didaktik im Technorama vermitteln und die Lehrpersonen befähigen, die didaktischen Ansätze des Technorama im eigenen Unterricht anzuwenden, erleben Lehrpersonen, wie diese Prinzipien praktisch umgesetzt werden.
Im folgenden Interview gibt Giulia Paparo Einblick in ihre Arbeit und erläutert, was bei der Entwicklung von Workshops im Technorama wichtig ist.
Für welches Naturphänomen kannst du dich so richtig begeistern?
Dazu möchte ich gerne ein Zitat erwähnen, das Einstein zugeschrieben wird: «Es gibt nur zwei Arten zu leben. Entweder so, als wäre nichts ein Wunder oder so, als wäre alles ein Wunder». Ich versuche durch die Welt zu gehen, als wäre alles ein Wunder und im Technorama gelingt mir dies besonders gut.
Wie werden neue Workshops entwickelt?
Wir arbeiten immer in einem Viererteam mit unterschiedlichen Rollen und Kompetenzen. Zwei Personen aus den Laboren bringen inhaltliche Expertise ein, zwei Personen aus dem Didaktik-Team sorgen für die didaktische Ausrichtung. Gemeinsam entwickeln wir Ideen in Kreativworkshops, oft auch mit Methoden aus dem Design-Thinking. Ein zentraler Bestandteil ist das Testen: Sobald wir eine erste Idee haben, laden wir eine Schulklasse ein. Wir beobachten, wie die Kinder reagieren, ob sie Freude haben oder ob sie etwas Neues erleben. Und wir fragen sie direkt: War es spannend? War es zu leicht oder zu schwierig?
Wie merkst du, dass ein Workshop gelungen ist?
Wenn Ruhe herrscht bzw. diese besondere Art von Stille, bei der alle Schülerinnen und Schüler konzentriert am Experimentieren sind. Wenn ich merke: Die Kinder wollen wirklich etwas selbst herausfinden. Beim neuen Schoggi-Workshop zum Beispiel spürt man dies sehr gut. Ich will, dass die Kinder wirklich begeistert sind, und zwar vom Prozess selbst.
Die Workshops werden regelmässig überarbeitet. Was ist der Grund?
Wir möchten sicherstellen, dass unsere Angebote so nah wie möglich an unserem didaktischen Konzept bleiben. Dessen wichtigstes Prinzip lautet: Ich muss etwas selbst anfassen, mit der ganzen Sensorik meines Körpers, um es zu verstehen. Gleichzeitig wollen wir uns laufend weiterentwickeln. Wir haben im Vergleich zur Schule mehr Freiheit und Flexibilität. Diesen Vorteil möchten wir bestmöglich nutzen.
Der andere Grund ist: Wir möchten möglichst vielen Menschen ermöglichen, an einem Workshop teilzunehmen. Es werden bis zu 12 unterschiedliche Workshops am Tag angeboten (je 2 pro Labor). Da ist es wichtig, dass man die schnell auf- und abbauen kann. Wir möchten möglichst vielen Menschen die Möglichkeit bieten, an einem Workshop im Technorama teilnehmen zu können.
Kannst du die Kernpunkte des didaktischen Konzepts des Technorama erläutern?
Das didaktische Konzept ist wie ein Kompass. Etwas, das uns hilft, uns bei der Arbeit zu orientieren. Der theoretische Hintergrund des Konzeptes ist der Konstruktivismus, das heisst die erkenntnistheoretische Position, die davon ausgeht, dass Wissen nicht die objektive Realität abbildet, sondern dass jeder Mensch seine eigene subjektive Wirklichkeit durch den Prozess des Erkennens und die Interaktion mit seiner Umwelt selbst konstruiert.
Ein wichtiges Prinzip dabei ist: Ich muss etwas selbst anfassen, mit der ganzen Sensorik meiner Hände, um es zu verstehen. Das wollen wir sagen, wenn wir davon reden, im doppelten Sinn zu be-greifen. Das ist das Grundlegende für alle Erfahrungen, die wir im Technorama machen. Davon abgeleitet ergeben sich drei Unterprinzipien:
• Ich muss selbst entscheiden, wie ich etwas anfasse, damit ich es überhaupt verstehen kann
• Ich begreife, was mich anspricht. Wir wollen also die Erfahrungen im Technorama so gestalten, das die Besuchenden Lust haben, etwas zu tun.
• Was ich begreife, verändert mich. Wir möchten Erfahrungen ermöglichen, die hängenbleiben. Das machen wir, indem wir Erfahrungen ermöglichen, welche die Gäste direkt betreffen oder Emotionen wecken. Erfahrungen, die etwas Besonderes sind, und die dadurch haften bleiben.
In den Laboren werden Kinder schon sehr früh an das naturwissenschaftliche Denken herangeführt. Wie macht ihr das?
Meiner Meinung nach sind die Grundprinzipien des naturwissenschaftlichen Denken angeboren. Wir müssen uns dem nur bewusst werden und es strukturiert durchführen damit daraus eine wirkliche Methode entsteht. Wir machen das eigentlich intuitiv. Wir stellen uns eine Frage, bilden eine Hypothese und überprüfen diese. Beim überarbeiteten Schoggiworkshop zum Beispiel ist die Fragestellung: Was ist für mich die perfekte Schokolade? Meine Hypothese kann dann sein: Für mich ist die perfekte Schokolade möglichst süss. Dann gebe ich zum Beispiel mehr Zucker dazu und teste, ob meine Hypothese zutrifft. Dann überarbeite ich meine Hypothese, indem ich die Mischung ändere und wieder teste.
Je nach Alter der Kinder thematisieren wir das wissenschaftliche Denken und reflektieren dieses: Das war jetzt eine Hypothese, die ihr aufgestellt habt und ihr überprüft sie und es gibt Variablen, das sind die Zutaten für die Schokolade: Milchpulver, Kakaobutter, Kakaobohnen, Zucker.
Wie nachhaltig sind die Workshops? Was nehmen die Kinder aus diesen Workshops mit?
Wir probieren ganz gezielt, die 21 Century Skills: Kommunikation, Kollaboration, Kritisches Denken, Kreativität einzubeziehen. Das sind nicht unbedingt Kompetenzen, die man direkt mit Naturwissenschaften verbinden würde, aber sie sind essentiell, auch für das wissenschaftliche Denken. Diesen 21 Century Skills wollen wir auch in den Workshops grösseren Raum geben.
Es geht weniger um Informationen, sondern mehr um Kompetenzen. Wie denke ich darüber, wie diskutiere ich darüber, wie kann ich mit anderen zusammen ein Problem lösen. Ob in den Naturwissenschaften oder anderswo: Wir arbeiten immer in der Gruppe. Es geht immer darum, wie gut kannst du mit anderen Menschen zusammenarbeiten, wie gut kannst du andere Lösungen finden, denn die Gruppe ist mehr als die Summe ihrer Teilnehmenden.
Was bietet das Technorama den Schülerinnen und Schülern in den Laboren, was die Schule nicht kann?
Für uns ist es viel einfacher, Dinge auszuprobieren und anders zu machen. Unsere Rahmenbedingungen sind freier als in der Schule – auch wenn wir uns am Lehrplan 21 orientieren und bei jedem Workshop auf die entsprechenden Bezüge achten. Wir verstehen uns als Ergänzung zum Unterricht und wollen eine Ressource für Lehrpersonen sein.
Wir wollen vor allem inspirieren. Manchmal machen wir dies mit Geräten, die sie nicht in der Schule haben, manchmal wählen wir aber bewusst auch Sachen, welche die Lehrpersonen im Klassenzimmer auch finden, damit sie die Experimente selbst machen können. Bei uns kann auch manchmal eine «Sauerei» entstehen, wie sie beim freien Experimentieren manchmal entsteht, und dafür hat die Lehrperson womöglich keine Energie.
Unser Ziel ist immer, die Lehrpersonen in ihrer Arbeit möglichst gut zu unterstützen.