Ein Revier für Neugier: Als die Neugier was Schlechtes war

30. März 2020

Wir appellieren immer: Bleib neugierig! Der Neugier haben wir gar eine eigene Blogkategorie gewidmet. Doch ist Neugier überhaupt etwas Gutes?

Wenn wir zu viel auf einmal wissen wollen, kann das zu innerer Unruhe führen. Das ist anstrengend – auch für unsere Umwelt. Kleine Kinder sind so neugierig, dass sie selten konzentriert bei einer Sache bleiben können. Sie lassen sich durch ihre Neugier leicht ablenken und springen ständig hin und her.

Historisch gesehen ist die Neugier – die Gier nach Neuem – sogar ein negativ besetzter Begriff. «Mehr wissen zu wollen, als genug ist, gehört zur Masslosigkeit» heisst es beispielsweise bei Seneca (4 v. Chr.–65 n. Chr.).

Im zehnten Buch seiner «Confessiones» beklagt mit Augustinus (354–430) – einer der einflussreichsten Theologen und Philosophen der christlichen Spätantike – die «curiositas» als Laster, als betäubende Lust, Gott zu erfahren und zu erkennen. Und noch im Mittelhochdeutschen war der Begriff «vorwiz» für Erstaunen, Verwunderung und Neugier nicht weniger als eine Sünde.

Der diversiven, also schlechten Neugier begegnen wir in zahlreichen Formen und allegorischen Verkörperungen bis heute. Zu ihnen gehören Klatsch und Tratsch ebenso wie der News-Junkie oder die Lästerzunge.

Neugier wird zum Guten schlechthin

Erst im Spätmittelalter wurde die Neugier rehabilitiert und das Streben nach Wissen zum Lebensprinzip erhoben. In dieser säkularistischen Deutung wird die Neugier zum regelrechten Kampfbegriff der Neuzeit gegen das Christentum. An der Jahrtausendschwelle erklärte Hugo von St. Viktor (1096–1141): «Lerne alles, später wirst Du sehen, dass nichts überflüssig ist. Beschränkte Wissenschaft ist nicht erfreulich.»

Auch für Thomas von Aquin (1225-1274) ist klar, dass alle Erkenntnis («scientia») gut ist und – weil die Erkenntnis zur menschlichen Natur gehört – ist sie sogar das Gute des Menschen schlechthin.

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