Die Geschichte des Spitlight

16. Januar 2023

Er war ein Blickfang, ein technisches Wunderwerk und fand seinen Weg sogar ins Guinnessbuch der Rekorde: der Spitlight. Doch die Geschichte des Spitlight ist auch eng mit dem Technorama verbunden.

Gianni Andreoli und seine Vision: Geschichte des Spitlight
Spitlight, zu Deutsch Lichtspucker, war die Erfindung des Tessiner Ingenieurs Gianni Andreoli, welcher schon früh ein grosses Interesse an Aviatik und später auch an Projektor-Technologie hatte. 1948 konzipierte er den Diaprojektor Spitlight P300, welcher stationär in Luzern die Fotoausstellung 1952 zierte und bei Nacht die Fassaden der Stadt mit Werbebildern aufleuchten liess.

Als nächsten Schritt sah Andreoli den Spitlight zu Grösserem berufen. Dieser sollte mobil werden und vor allem im Stande sein, Bilder an Wolken zu projizieren. Die über sechs Meter lange Projektionskabine wurde auf der Ladefläche eines wuchtigen Bedford-Lastwagen befestigt und mit einem selbstgebauten Generatoren-Anhänger versehen. Der Spitlight P.300.S war frei schwenkbar und konnte so ohne Totenwinkel von der Horizontalen bis senkrecht nach oben Bilder projizieren. Mit einer massiven Kohlenbogenlampe war es sogar möglich, bis zu sechs Kilometer Entfernung Bilder scharf aufzuzeigen.

1985 wurde der Spitlight P.300.S ins Guinness-Buch der Rekorde als grösster Projektor der Welt eingetragen.

Europaweit reiste der Spitlight umher und sorgte mit seiner extravaganten Form für grosse Augen. Dieser war sogar an den Olympischen Winterspielen in Cortina d’Ampezzo 1956 als Lichterspektakel zu Gast. Die hohen Gebrauchskosten führten jedoch zu Auseinandersetzungen mit dem Sponsor, welcher die Maschine von Andreoli wegnehmen wollte. In einer Nacht-und-Nebel-Aktion, liess er seine Erfindung verschwinden. Genauer gesagt wurde der Spitlight gerade mal 400 Meter von der Villa des Sponsors in einer Gerberei versteckt. Doch hielt diese Scharade nicht lange. Furios über Andreolis Vertragsbruch kam es zum mehrjährigen Rechtsstreit mit den beiden Sponsoren. In dieser Zeit kam der Spitlight spärlich zum Einsatz, bis er in den 60er-Jahren für gerade mal einen Bruchteil seines Wertes versteigert wurde. Erst in Garagen und schliesslich im Freien geriet das Lebenswerk Andreolis in Vergessenheit.

 

Jörg Moor, das Technorama und der Spitlight
Nach über zwei Dekaden Rost und Zerfall war der Spitlight nur noch ein Schatten seiner selbst, doch die Frau Andreolis war nach dem Tod ihres Mannes erpicht, diesem eine neue Chance zu geben. Der Schweizerische Technische Verband Winterthur übernahm die Reparatur des Lichtspukers und restaurierte diesen während 40’000 Stunden Arbeit. Das Technorama durfte den Spitlight daraufhin für die Ausstellung Licht und Sicht übernehmen. Als technischer Operator wurde unser Mitarbeiter Jörg Moor von den beiden vorherigen Technikern des Spitlights in der Bedienung geschult und half sogar mit seinem Know-how in Fahrzeugelektrik beim Endspurt mit.

Besonders die Bedienung der Projektor-Lampe schien besonders knifflig in der Verwendung zu sein. Die verbaute Kohlenbogenlampe (ein Relikt aus dem 19. Jahrhundert) verbrennt innerhalb von 10-12 Minuten seinen Brennstab. Dieser besteht aus einer speziellen Legierung und wird in dieser Form nicht mehr produziert.

Jörg Moor war für das Technorama viel mit dem Spitlight unterwegs. Von St. Gallen bis Bern kam der Spitlight zum Einsatz und spuckte sein Licht sogar mal ans Bundeshaus.

Ist es ein Raumschiff, ist es ein U-Boot? Nein es ist der Spitlight!

Jörg Moor entsinnt sich beim Interview einiger spannender Episoden:
Während eines Einsatzes in Luzern, wo die Felswand vom Pilatus erleuchten sollte, versenkte er das wuchtige Gefährt auf einem Nebenweg ins Zielgebiet. Zuvor wurde in der ganzen Region über Radio Pilatus die Uhrzeit und Ort der Aktion angepriesen. Alleine in der Mitte des Weges und unter Zeitdruck galt es eine Lösung zu finden. So rannte Jörg los, um die umliegenden Bauernhöfe abklappern und sich wortwörtlich aus dem Schlamassel zu ziehen. Der erste Traktor blieb im Schlamm stecken und nur dank einem zweiten und grösseren Traktor schaffte er es gerade noch, pünktlich die Licht-Show zu beginnen.

Bereits die Fahrt mit dem Spitlight war ein Erlebnis. Die rundliche Form des leuchtend roten Bedforts mit dem skurrilen Projektor war ein Blickfang, nach welchem sich viele verwunderte Blicke drehten. «Ist es ein Raumschiff, ist es ein U-Boot?», wunderten sich die Leute. Doch Design über Funktion hat seinen Preis. Denn der schnittige Lastwagen hatte zusammen mit dem Generator-Anhänger ein Gesamtgewicht von 14 Tonnen und kaum genug Kraft, sich über 50 km/h auf einer flachen Strecke fortzubewegen. Beim Aufstieg von Interlaken nach Grindelwald, rauchte das Gefährt dermassen, dass erneut die Landbevölkerung zur Hilfe gezogen werden musste. Während des Einsatzes wurde einmal mehr  Bilanz zum Spitlight gezogen. Die Aussicht war düster.

 

Das Ende Einer Ära
Für einen eintägigen Einsatz kostete der Spitlight um die 10’000 Franken. Davon zwei Tage An- und Abreise, ein Operator, zwei direkte Hilfspersonen und ein externer Analytiker für die Ausrichtung. Doch der grösste Faktor war das Alter der Technologie. Denn die Brennstäbe wurden nicht mehr hergestellt. Erneut fand sich der Spitlight im Freien abgestellt, doch dieses Mal in vollem Fokus. Im Aussenbereich des Technorama konnte man die spannende Geschichte lesen und das Unikat bestaunen. Doch unsere jüngeren Gäste fanden gefallen, den Spitlight als Kletteranlage zu nutzen und verursachten Dellen und ein eingedrücktes Dach. So verbrachte der Spitlight sieben bis acht Jahre in der Lagerhalle. Der Versuch, dem Spitlight ein neues Zuhause zu geben, zeigte sich als fast schon unmöglich. Doch Jörg Moor sträubte sich gegen die Verschrottung.

Das Museum ENTER war als technisches Museum (wie es das Technorama vor den 90er-Jahren auch war) die rettende Lösung. Sie nahmen den Spitlight mit Handkuss entgegen, restaurierten diesen erneut und schrieben sogar ein Buch über dessen Geschichte.

Ein letztes Mal soll der Spitlight zum Einsatz kommen, da gelernte Operatoren wie die Brennstäbe einer Kohlenbogen-Lampe eine Rarität geworden sind. Nur noch Jörg Moor und ein Mitglied des Schweizer Technischer Verband sind noch im Stande den Spitlight zu bedienen. Nach dieser letzten Show soll der Spitlight versiegelt werden und als Juwel in der Ausstellung von ENTER ein Teil vergangener Schweizer Technik-Geschichte werden.

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